Drei Gesichter Syrien

Drei offizielle Photos der drei Männer, die seit Donnerstag in Genf über die Zukunft Syriens diskutieren. Drei Mal Mimik, Gestik, Habitus. Das reicht eigentlich schon, um zu erahnen, wie die Atmosphäre hinter den geschlossenen Türen im Hotel Interconti ist.

Photo UN/ Jean-Marc Ferré

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Sergej Lawrow, russischer Außenminister, strotzt vor Selbstbewusstsein. Steht schon mal, damit die anderen zu ihm aufsehen können. Wirkt entschlossen und so, als ob er weiß, was er will. Scheint er ja auch zu tun.

Photo UN/ Jean-Marc Ferré

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Dagegen John Kerry: skeptisch, passiv, missgelaunt. Wäre vielleicht lieber woanders.

Photo UN/ Jean-Marc Ferré

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Und schließlich der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi. Müde, desillusioniert, enttäuscht. Würde lieber mit Leuten reden, die seinen Rat zu schätzen wissen.

Vielleicht sagen drei Bilder tatsächlich mehr als dreitausend Worte. Doch wer daran gezweifelt hatte, dass der Frieden in Syrien bei den amerikanisch-russischen Verhandlungen in Genf allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt, wurde eine Stunde, nachdem diese Aufnahmen gemacht wurden, von den beiden Hauptpersonen eines Besseren belehrt. „Der Hauptgrund unseres Treffens ist die Initiative zur Kontrolle und Zerstörung von Syriens Chemiewaffen“, stellte US-Außenminister John Kerry bei einer kurzen Pressekonferenz im Völkerbundpalast klar. Ähnlich äußerte sich sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow. Kerry lobte die konstruktive Atmosphäre der Gespräche, Lawrow hob Kerrys persönliches Engagement hervor. Beide dankten dem UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi für seine Initiative einer zweiten Genfer Friedenskonferenz für Syrien. Doch über die könne man erst sprechen, wenn man die Hausaufgaben erledigt habe, so Kerry. „Wir werden uns am Rande der UN-Vollversammlung treffen um zu entscheiden, ob ein Datum für eine solche Konferenz festgelegt werden kann.“ Grundlage dafür, daran ließ Kerry keinen Zweifel, ist die Einigung in Sachen syrische Chemiewaffen. Brahimi, der am Vorabend noch die Hoffnung geäußert hatte, man werde hoffentlich schon früher über einen Friedensprozess für Syrien sprechen, konnte nicht mehr tun als höflich zu lächeln.

Über Syriens Chemiewaffen wurde dann den Rest des Tages hinter verschlossenen Türen im nahen Hotel Intercontinental diskutiert. Beide Seiten, Russland und die USA, sind nicht nur mit erfahrenen Diplomaten, sondern auch mit Chemiewaffenexperten nach Genf gekommen. Diese sollen ausloten, wie realistisch das Vorhaben ist, Syriens Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu bringen. Kurz nach seiner Ankunft am Freitagabend hatte Lawrow bereits den Ablauf skizziert, wie er sich ihn vorstellt: nach dem Beitritt Syriens zur Internationalen Chemiewaffen-Konvention müssten die Bestände offengelegt werden. Experten der UN müssten danach deren Kontrolle übernehmen und die Chemiewaffen schließlich zerstören. Das Sekretariat der Chemiewaffenkonvention in Den Haag hat den Eingang eines Antrags auf eine Mitgliedschaft Syriens inzwischen bestätigt; wenn die Unterlagen vollständig sind, würde Syrien der 190-ste Unterzeichnerstaat der Konvention. Experten zweifeln allerdings daran, dass es mitten im Bürgerkrieg möglich sein wird, Syriens Chemiewaffen zu kontrollieren, geschweige denn zu zerstören.

Doch selbst wenn dies irgendwie gelingen würde, das Elend in Syrien würde das kaum lindern. Das Welternährungsprogramm erklärte am Freitag, immer mehr Regionen in Syrien könnten wegen des Bürgerkriegs nicht mehr mit Hilfsgütern versorgt werden. Hunger drohe zu einem Faktor zu werden, der noch mehr als die bisherigen zwei Millionen Flüchtlinge außer Landes treibe. Eine unabhängige Expertenkommission, die die Lage im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats untersucht, legte ebenfalls am Freitag einen Bericht vor, in dem die syrische Armee bezichtigt wird, gezielt Hospitäler anzugreifen und mutmaßlichen Oppositionsunterstützern den Zugang zu medizinischer Hilfe zu verweigern. Zwei Tage vorher hatten die gleichen Experten davor gewarnt, dass beide Seiten im Konflikt ohne Angst vor möglicher Strafverfolgung auch brutalste Menschenrechtsvergehen verübten. In einem Brief rief der Präsident des Menschenrechtsrats, Remigiusz Henczel, Kerry und Lawrow deshalb auf, sich für einen Zugang der UN-Experten nach Syrien einzusetzen, so dass diese Menschenrechtsverletzungen vor Ort untersuchen könnten. Bislang verwehrt die syrische Regierung den UN-Experten die Einreise, womöglich aus Angst, die gesammelten Belege könnten vor dem Internationalen Strafgerichtshof auch gegen sie verwendet werden.

Am Montag sollten die Chemiewaffenkontrolleure der UN ihren Bericht vorlegen. Offiziell verlautete vorher nichts über die Erkenntnisse. Doch aus New York hieß es, man gehe davon aus, dass der Bericht „eine Geschichte erzählen werde“. So lasse sich aus der Art des verwendeten Nervengifts und den berechneten Abschusspositionen vermuten, dass die Chemiewaffen von der syrischen Armee und nicht von den Rebellen eingesetzt worden seien, wie von Baschar al-Assad behauptet.