Einer der giftigsten Stoffe überhaupt – Quecksilber – soll aus Haushalten verschwinden und generell reduziert werden. Darauf haben sich am Samstag Vertreter von mehr als 140 Staaten in Genf verständigt. Die neue Konvention kommt praktisch jedem zu Gute.
Je jünger die Opfer, desto anfälliger sind sie für die gesundheitlichen Schäden, die Quecksilber anrichten kann: so kann schon das Nervensystem ungeborener Babys im Bauch der Mutter dauerhaft beeinträchtigt werden. Auch Säuglinge und Kinder sind hochanfällig für die Auswirkungen des Schwermetalls, das bei Raumtemperatur flüssig ist und sich leicht in der Atmosphäre verteilt. Dort hält es sich dann über Jahrhunderte und dringt in den Nahrungskreislauf ein. Zudem ist Quecksilber bis heute in vielen Alltagsgegenständen enthalten, obwohl der Stoff Lungen, den Verdauungstrakt und das Immunsystem angreift, Quecksilbersalze Haut und Augen verätzen können und beim Verschlucken Tod durch Nierenversagen droht. „Quecksilber ist seit Jahrhunderten als Gift und Gefahrstoff bekannt“, weiß der Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner. „Aber heute haben wir die nötigen Alternativen, um das Gesundheitsrisiko von Millionen Menschen zu senken, allen voran Müttern und kleinen Kindern.“
Vier Jahre lang haben Unterhändler aus mehr als 140 Ländern über eine Konvention verhandelt, die Quecksilber ultimativ aus der Welt schaffen soll. Nach einer langen Verhandlungsnacht einigten sie sich am Samstag auf einen ersten großen Schritt dorthin. „Jeder in der Welt wird von den Entscheidungen profitieren, die jetzt hier in Genf getroffen worden sind“, ist Steiner sicher. Zuerst soll Quecksilber aus den Haushalten verschwinden: Quecksilber in Batterien, in Energiesparlampen, Thermometern, Seifen, Kosmetika und elektronischen Bausteinen soll bis 2020 verboten sein. Zahnfüllungen aus Amalgam, in denen Quecksilber enthalten ist, werden zwar nicht verboten, sollen aber deutlich reduziert werden. Derzeit landen jährlich 340 Tonnen des Schwermetalls auf die eine oder andere Weise in Mündern. Der Druck auf die Industrie, auf Quecksilber zu verzichten, ist hoch: denn ab 2020 darf kein neues Quecksilber mehr gefördert werden. Wer es dann noch verwenden will, muss es recyceln. Der Preis, so glauben Umweltschützer, wird dadurch steigen und die Alternativen begünstigen.
Doch so gut das Verbot von Quecksilber in Alltagsgegenständen ist – die größte Quelle von Quecksilber bleibt vorläufig erhalten. Weltweit die Hälfte des Quecksilberausstoßes stammt aus Kohlekraftwerken. Vor allem China hatte sich – bis zuletzt – erfolgreich gegen verbindliche Obergrenzen beim Quecksilberausstoß gewehrt. Vorläufig soll nur gemessen werden, wieviel Quecksilber ein Kraftwerk verlässt. „Neue Kraftwerke haben außerdem eine Frist von fünf Jahren, alte Kraftwerke sogar doppelt so lang, um mit den Kontrollen zu beginnen“, sagt Michael Bender von einer Koalition aus Umweltorganisationen, die generell „zu lasche Kontrollen“ kritisiert. Ebenfalls offen lässt die Konvention nämlich eine Kontrolle von Quecksilber, das bei der Gewinnung von Gold vor allem in Entwicklungsländern genutzt wird. UNEP zufolge hat sich der Quecksilberverbrauch durch Goldsucher – auch wegen des hohen Goldpreises – seit 2005 verdoppelt. Betroffene Länder sollen jetzt Strategien verabschieden, doch genaue Regeln und regelmäßige Überprüfungen gibt es vorerst nicht. „Das Abkommen wird keine sofortige Senkung der Quecksilberemissionen zur Folge haben“, glaubt deshalb der Umweltschützer David Lennett. „Es ist ein guter Ausgangspunkt, aber wir werden es weiter verbessern und stärken müssen.“
Das ist auch deshalb dringend nötig, weil das Quecksilber aus Chinas Kohlekraftwerken oder südamerikanischen Goldminen auf unseren Tellern und von dort im Körper landet. Mit dem Umweg über die Atmosphäre landet das Schwermetall in den Ozeanen. In den vergangenen hundert Jahren, so eine aktuelle UNEP-Studie, hat sich der Quecksilbergehalt in den obersten 100 Metern der Weltozeane verdoppelt. Schon kleinste Krebse und Krabben sind deshalb belastet. Am höchsten aber ist die Konzentration bei großen Räuberfischen wie Lachs und Thunfisch – den Arten, die besonders gerne gegessen werden.
(erschienen im Sonntag der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, 20.1.13)