Kurz vor Jahreswechsel hat Steven Geyer in Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau mein Somalia-Buch rezensiert – hier ist der Artikel in voller Länge.
Zum 20. Jahrestag des Dezembers 1992, als mit dem Einmarsch von UN-Truppen unter US-Führung der letzte Versuch begann, Somalia vor dem Abrutschen in Gewalt und Chaos zu bewahren, widmet sich der Journalist Marc Engelhardt dem gescheiterten Staat: Somalia, ein Land, das von der Welt aufgegeben wurde.
Was macht eigentlich … Afrika? In den Spendenmarathons und Krisenmeldungen dominieren derzeit wildgewordene Islamisten in Mali, Putschisten in der Zentralafrikanischen Republik, zunehmende Piraterie vor Nigeria. Erstaunlich daran ist: Zu all diesen Krisen – und vielen weiteren – drängt sich seit nun schon 20 Jahren der Vergleich zu einem anderen, fast vergessenen Brennpunkt des Kontinents auf: Somalia.
Zum 20. Jahrestag des Dezembers 1992, als mit dem Einmarsch von UN-Truppen unter US-Führung der letzte, erfolglose Versuch begann, das ostafrikanische Land vor dem Abrutschen in Gewalt und Chaos zu bewahren, widmet sich der Journalist Marc Engelhardt in einem Buch dem gescheiterten Staat. Gerade weil er Somalia immer wieder als Reporter besucht hat, ist ihm nicht nur ein fachkundiges, sondern auch lebendiges Porträt des Landes gelungen. Wer weiß schon, dass der Hummer dort der beste der Welt sein soll?
Doch nicht nur Anekdoten und Alltagseinsichten entstehen daraus, dass der deutsche Autor über die Jahre stets Kontakt zu den normalen Menschen im Krisenstaat suchte. Er vermag so auch, die komplexe Kultur und Seelenlage Somalias zu beschreiben – ein Land, das sich so sehr als Wüstenstaat empfindet, dass das Kamel alles, das Meer samt aller Fische dagegen nichts gilt. Ein Land, dessen Clans ein so wichtiger politischer Faktor sind, dass jeder Versuch der Einmischung scheitern musste, der die Familiennetzwerke ignoriert. Ein Land, das von der Welt aufgegeben wurde – aber trotz Dauerbürgerkrieg und fehlendem Staatswesen nicht in Anarchie versinkt, sondern in rohem Raubtierkapitalismus. Dass daran auch westliche Konzerne verdienen, ahnte man. Engelhardt beschreibt die Verwicklung von Öl-, Waffen- und Versicherungskonzernen in Somalias Aufrüstung, Krieg und Piraterie nun ganz konkret – mit Mitteln der Reportage, aber auch investigativer Recherche.
In 21 journalistisch geschriebenen Kapiteln führt das Buch zuerst an die Wurzel der Krise – das gescheiterte sozialistische Regime der Post-Kolonial-Zeit. Dann verbindet es bekannte Episoden der jüngeren Historie wie die Schmach des abgeschossenen US-Kriegshubschraubers, die 1993 den Abzug der USA auslöste, mit Analysen der im Titel genannten Symptome „Piraten, Warlords, Islamisten“, und mit Einblicken, die diese Reduktion hinterfragen. Dass Engelhardt am Ende optimistisch in Somalias Zukunft blicken kann, verdankt er vielleicht nur dem Zufall, dass sich das Land gerade stabilisiert und Neuwahlen Grund zur Hoffnung geben. Interessant ist die Bilanz der 20-jährigen Krise Somalias in jedem Fall – und sei es, weil viele der beschriebenen Fehler zur Warnung für andere Weltregionen taugen.