Er ist der unerwartete Sieger, der Mann, mit dem keiner gerechnet hat. Hassan Sheikh Mohamud, der bis dato praktisch unbekannte neue Präsident Somalias, verkörpert den Neuanfang, den sich die Menschen am Horn von Afrika so dringend herbeigesehnt haben. Als am späten Montagabend die Stimmen ausgezählt sind und klar ist, dass der 56-jährige Universitätsdozent seinen Vorgänger Sharif Sheikh Achmed mit 190 zu 79 Stimmen überraschend deutlich geschlagen hat, singen die Abgeordneten in der streng bewachten Polizeischule von Mogadischu spontan die Nationalhymne. Auf den Straßen wird geschossen, ausnahmsweise in die Luft und aus Freude.
Aus Angst vor Anschlägen der islamistischen Shabaab-Miliz, die immer noch weite Teile Somalias kontrolliert, wird Sheikh Mohamud noch am Ort seiner Wahl vereidigt. „Das Volk schlägt jetzt eine neue Richtung ein“, sagt er danach. „Ihr verlasst jetzt den schwierigen Pfad und schlagt einen neuen ein.“ Gegen 21 Mitbewerber hat Sheikh Mohamud sich durchgesetzt. Das Amt, das er jetzt inne hat, würde manch einer wohl nicht geschenkt haben wollen. Denn mehr als 21 Jahre nach der Flucht des Alleinherrschers Siad Barre liegt Somalia immer noch in Trümmern, leben hunderttausende Somalis in ihrem eigenen Land als Vertriebene, treiben Piraten vor der Küste und Islamisten an Land ihr Unwesen. All diese Probleme, vor allem aber die Unsicherheit und die grassierende Armut, wird Sheikh Mohamud schnell bekämpfen müssen, um im Volk und bei den Gebernationen beliebt zu bleiben.
Die Voraussetzungen sind so gut, wie sie unter den gegebenen Umständen möglich waren: Sheikh Mohamud, geboren in einem Dorf im Zentrum Somalias, hat inmitten von Anarchie und Chaos eine weiße Weste behalten. Während Warlords und ihre aufgeputschten Armeen Mogadischu in Trümmer schossen, baute der in Mogadischu und Bhopal (Indien) ausgebildete Technik-Lehrer eine Hochschule mitten in der Kampfzone auf. Elf Jahre lang arbeitet er dort als Dekan und engagiert sich nebenher in Nichtregierungsgruppen, die sich für Frieden und Versöhnung in Somalia einsetzen. Auch für die UN ist er tätig. 2011 gründet der jetzige Präsident seine ‚Partei für Frieden und Entwicklung‘ – „Die erste Partei, die nicht nur Claninteressen vertritt“, sagt er damals. Der massiven Korruption, die seinen Vorgänger zu Fall brachte, hat Sheikh Mohamud den Kampf angesagt.
Seine Erfahrungen als Vermittler und Versöhner wird der neue Hoffnungsträger brauchen. Mit den einflussreichen Clanführern und Warlords muss er sich auf einen Premier einigen, der dann die Regierung ernennt – die fünfzehnte seit dem Sturz Siad Barres. Viele glauben, dass sie die letzte Chance für das geschundene Land darstellt. Somalis müssten als erstes lernen, die Angst zu besiegen, sagte Sheikh Mohamud kurz vor der Wahl in einem Interview mit dem britischen Guardian. „Wenn wir zulassen, dass die Angst uns kontrolliert, werden wir niemals vorwärts kommen.“ Mehrmals schon hat der neue Präsident Todesdrohungen der Shabaab erhalten. Von seinem Ziel hat ihn das nicht abgebracht. „Die afrikanischen Friedenstruppen können und nicht für immer beschützen – wir Somalis müssen selbst lernen, uns zu verteidigen.“